Morro Bay - 3. Tag

Gestern haben wir die eine Hälfte des Küstenweges im Montana de Oro State Park erwandert, heute soll die andere Richtung dran sein. Allerdings liegt sie nicht mehr im State Park, sondern auf privatem Gebiet und zwar auf dem der 'Pacific Gas and Electric Company' und der gehört das Atomkraftwerk am Ende des Weges! Wir müssen vom Parkplatz aus durch ein Tor in einem hohen Zaun und uns dann mit Namen, Adresse, Autokennzeichen, Telefonnummer für Notfälle und beide Unterschriften registrieren lassen. Auch wird uns mitgeteilt, dass es heute einen Probealarm geben wird. Wir sollten nicht beunruhigt sein! 
Der Point Buchon Trail ist 3,6 Meilen lang und er ist einer der landschaftlich schönsten, die wir in letzter Zeit gegangen sind. Der Pazifik ist hier sehr wild, es sind wunderschöne ausgewaschene Felsformationen im Meer und hunderte von Albatrossen, Möwen und Pelikanen fischen in der Brandung, wir hören Seelöwen brüllen und sehen wieder Wale. 
Alles wäre paradiesisch, wenn sich nicht am Ende des Trails der Blick auf das gar nicht so weit weg liegende AKW Diablo Canyon böte. Dieses AKW ist 1985 in Betrieb gegangen und schon im Vorfeld gab es hier die größten Demonstrationen, die es je in den USA gegen Atomkraft gegeben hat, weil das Ding nur 500m von einer sensiblen erdbebengefährdeten Spalte des San Andreas Grabens liegt! Man weiß jetzt schon, dass es in absehbarer Zeit ein Desaster geben wird, aber die Betreiber bezeichnen natürlich das Werk als sicher. Übrigens haben wir in den drei Stunden, die wir da waren, keinen Alarm gehört! Hoffentlich ist die Sirene nicht schon kaputt!
Mit etwas gemischten Gefühlen, das AKW "im Nacken", kehren wir zum Auto zurück, nicht ohne dass vorher wieder unser Verlassen des Geländes registriert worden wäre.
Wir fahren in die nächstgrößere Stadt San Luis Obispo. Sie ist eine Universitätsstadt und im Moment ist Willkommenswoche für die Studienanfänger. Die Stadt ist voller junger Leute in zum Teil identischer Kleidung. 
Hinzu kommt, dass donnerstags in der gesperrten Hauptstraße ein Farmers Market stattfindet, der allerdings nur zum Teil Obst- und Gemüsestände hat. Hier zeigt sich alles: Fressstände jeglicher Geschmacksrichtung, auch German Bratwurst, Stände, die Pappkartonschüsseln mit BBQ Fleisch in der Größe halber Rinder raushauen und die Leute stehen in Schlangen von 50m+ davor. Außerdem Weltanschauungen und Religionsrichtungen aller Art, von Atheisten über Schwule/Lesben bis zu 'Radikal'christen. Auch die Highway Patrol und die Veteranen sind vertreten und an einem Stand kann man gegen Geld irgendeinem, der sich zur Verfügung stellt, einen Pappteller mit Sprühsahne ins Gesicht klatschen - bei den Studenten sehr beliebt! 
Eine Gasse von etwas 1,5m Breite in der Stadt fällt uns plötzlich auf. Beide fensterlosen Hauswände rechts und links sind bunt. Bei genauerem Hinsehen sind hier tausende von gekauten Kaugummis bis zu einer Höhe von etwa drei Metern dicht an dicht hingebappt. Die jungen Leute mit Nachschubmaterial im Mund nehmen sich gegenseitig auf die Schultern, um einen freien Platz in der Höhe zu finden!
Ein Stand auf dem Markt erregt unsere besondere Aufmerksamkeit. Hier geht es um einen 'Climate March'. Wir fragen nach und erfahren, dass es sich um Demokraten handelt, die sich im Kampf gegen den Klimawechsel engagieren. Als wir erzählen, dass wir aus Deutschland kommen und schon lange gegen Atomkraft demonstrieren, bewundern sie uns: "Oh, ihr seid schon so viel weiter als wir!" Wann hört man sowas schon mal von einem Amerikaner? Der 'People's Climate March' wird am 21. September in San Luis Obispo stattfinden und wir versprechen dabei zu sein! 
Inzwischen ist es dunkel geworden. Wir fahren zurück nach Morro Bay und schauen uns im Internet einen Beitrag von 3sat zu 'unserem' AKW und seismologischen Studien in dieser Gegend an - uns schaudert ...

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Kommentare: 1
  • #1

    Martin Corbach (Freitag, 19 September 2014 19:29)

    Hallo Uli, hallo Eckhardt.
    Eckhardt, deine Grüße, die Du zum Kampagestart nach Lage geschickst hast, sind auch bei mir im Osten angekommen. Bei uns läuft die Kampagne seit Montag, der Start war so mittelprächtig. Vielleicht bin ich von Lage ja auch zu verwöhnt. Deine Schwester Heike hatte mir vor einigen Tagen, als ich mal wieder im Werk war, erzählt, dass Ihr Euch über "Lebenszeichen" aus der Heimat freut. Wie fühlt es sich denn für Dich an, seit 30 Jahren erstmals im Herbst keine Zuckerrüben zu sehen? Wenn ich Abends in meiner Bude mal Zeit habe, lese ich gerne eure Berichte aus der weiten Welt. Vor allem die Erlebnisse außerhalb der normalen "Touristenwelt". Wenn Ihr auf Eurer Weltreise auch in Könnern vorbei kommt, besucht Ihr mich aber. Ansonsten treffen wir uns dann aber mal in Lippe.
    Viele Grüße in die weite Welt
    Martin